Nadja Hecker ist im Internet zu Hause und entwickelt Webseiten für Kunden verschiedener Branchen. In Ihren Projekten sind ihr eine ständige Weiterbildung wichtig. Dafür vertieft sie sich gern in die Thematik. Die erste Frau der Serie „Spezies: „Kreative Köpfe“ wird von Beatrix Junghans-Gläser und Philipp Senge hier vorgestellt.
Du arbeitest selbstständig. Was schätzt du daran, was nicht?
Meine Handlungsfreiheit. Die Zeit, die ich mir nehmen kann, wenn Not am Mann ist. Beruflich das zu tun, was mir wirklich Spaß macht: kreativ und immer wieder herausgefordert zu sein. Fast täglich lerne ich neue Leute und Branchen kennen. Mit jedem Projekt erweitert sich mein Horizont. Zum Beispiel weiß ich jetzt einiges über Bienen, kenne die Probleme in der Alten- und Krankenpflege oder weiß grob, worauf es in der brasilianischen Immobilienwirtschaft ankommt.
Angst macht mir manchmal der Balanceakt zwischen Freiheit und Sicherheit. Was wird später mal werden? Rente? Krankheitsfall? Diese dunkle Gedankenwolke schiebe ich schnell wieder weg.
Was echt nervt, ist der Satz, „Die ist doch zu Hause. Die hat doch Zeit.“
Außenstehende unterschätzen, wie schwierig es ist, als Frau im Homeoffice zu arbeiten. Den Haushalt ständig vor Augen, das Kutschieren der Kinder, Arztbesuche oder das tägliche Kochen – manchmal steht das alles wie eine Mauer vor mir. Da bin ich froh, dass meine Eltern mich unterstützen.
Im Volksmund heißt selbstständig selbst und ständig. Für viele von uns ist das oft auch so. Wo und wie kommst runter?
Hin und wieder sitze ich wirklich lange vor meinem Laptop. Geht ein Projekt in die Endphase, ist auch das Wochenende nicht frei von Arbeit.
Ganz ehrlich: Bisweilen bin ich abends einfach nur platt, fertig, erschöpft. Ganz runter komme ich auf dem Sofa: Beine hoch und dazu ein Glas spanischer Rotwein. Das hilft.
Von Kreativen wird gern behauptet, sie hätten stets eine Idee in der Schublade. Schön wär’s. Was machst du, wenn dir nichts mehr einfällt?
In der Schublade habe ich nie etwas. Zuerst spreche immer alles mit dem Kunden durch. Mitunter habe ich da schon eine Idee. Erst dann nehme ich das Projekt richtig in Angriff. Aber es kommt schon vor, dass ich keinen Einfall habe oder die Basis für ein Konzept finden muss. Dann lunze ich in Zeitschriften, auf Websites oder pilgere durchs Netz. Oft reicht ein Bild, ein Wort um den Faden zu finden und weiterzuspinnen. Oder ich frage eine Freundin, was ihr zu einem Thema einfällt. Da kommt oft Erstaunliches, durchaus Ausbaufähiges raus.
Wenn ich kopfmäßig leer bin, hilft am besten Laufen oder Yoga. Profane Hausarbeit mit einem Hörbuch im Ohr hilft auch aus einem kreativen Tief.
Eule oder Lerche – wann und wie beginnt ein typischer Arbeitstag bei Dir?
Knallhart: Ich stehe um 6 Uhr auf. Wenn die Kinder um 7 Uhr aus dem Haus sind, sitze ich am Schreibtisch. Großer Pott Kaffee – Mails lesen, Tag planen, Facebook und Limango-Angebote (ganz kurz) checken. Und danach bin ich meistens mittendrin in der Arbeit. Außer montags, da gehe ich kurz nach 7 Uhr ins Fitnessstudio.
Zwischendurch kümmere ich mich um Kinder, Haushalt, Einkaufen und Kochen. Ist eine Art geteilter Dienst. So ist es eben, als Frau selbstständig zu sein.
Ich sitze abends gerne nochmal am PC. Da habe ich andere Einfälle als morgens. Komisch.
Man sagt, aller Anfang sei schwer. Ist es bei dir auch so? Und wie sieht es mit dem Aufhören aus? Wann kannst du gut den Punkt setzen?
Mitunter ist das Anfangen zäh. Erarbeite ich eine neue Website, ist das Seitengerüst die Basis. Es kam schon vor, dass ich für die Anordnung der Kundeninhalte die falsche Wahl getroffen habe. Dummerweise verbeiße ich mich trotzdem wie ein Terrier um irgendwann festzustellen, dass ich umschwenken muss. Mit der Zeit kommt das „irgendwann“ früher.
Ein Projekt ist dann fertig, wenn der Kunde und ich zufrieden sind. Abgeschlossen ist es meistens nie. Mit vielen Kunden habe ich laufenden Kontakt. Änderungen an der Website, Updates oder ein guter Rat in Sachen Internet sind immer mal fällig.
Es kommt schon vor, dass ich nicht aufhören kann. Wenn ich mich so richtig in ein Problem vertieft habe, auf keinen Nenner komme, finde ich kein Ende.
Der Erzgebirger hält mit dem, was er kann, gern hinter dem Berg. Bei aller Bodenständigkeit – worin liegt die starke Seite der Region? Wie geht‘s weiter?
Ich finde, wir Erzgebirger haben ein großes kreatives Potential. Darauf können wir stolz sein, es auch zeigen. Viele Kunden schätzen, dass wir aus der Region sind und die gleiche Sprache (Dialekt) sprechen. Unser Vorteil ist außerdem, mit den rauen Seiten des Lebens umgehen zu können. Hier geht`s eben nicht nur geradeaus. Bei uns muss auch mal ein Tal durchschritten und ein Berg bezwungen werden. Es wird weiter vorwärts gehen.
Im letzten Sommer stand ich zum Beispiel vor genau so einer Herausforderung. Da musste ich mich fragen: Weitermachen? Ein Level höhergehen? Aufgeben? Festanstellung? Nur Weitermachen und Weiterbilden kam infrage. Ich stieß auf die Qualifikation zum Certified-Digital-Marketing-Manager (SHB) in München. Zehn anstrengende 2-Tages-Seminare von SEO bis Content Marketing brachten mir enorm viel. Nicht nur inhaltlich, auch persönlich bin ich gewachsen. Als Quereinsteigerin und Alleinunternehmerin weiß man ja nicht, ob man alles so richtig anpackt. In der Ausbildung bekam ich Bestätigung, mir wurde Mut zum Dranbleiben gemacht.
Aristoteles stellte fest, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Was wünschst du dir vom Netzwerk?
Ich wünsche mir tatsächlich mehr Kontakt innerhalb des Netzwerkes. Ich selbst kenne nur wenige Mitglieder. Das finde ich schade.
Ich habe immer noch das Gefühl, jeder trudelt so in seinem kleinen Universum allein herum und sucht eine Andockstation zum Austausch von Infos.
Einen Stammtisch habe ich bereits angeregt; ich werde ihn organisieren.
„Spezies: Kreative Köpfe“ ist eine Serie von Beatrix Junghans-Gläser und Philipp Senge. Sinn und Zweck der Interviews ist es, Kreative im Erzgebirge – insbesondere die Mitglieder unseres Kreativverbundes – vorzustellen. Du möchtest die oder der Nächste in der Reihe sein? Gerne! Melde Dich einfach bei uns.